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Mittwoch, 31. Januar 2024

Russische Schule


Dass die Russen anders feiern als die Deutschen, dürfte ja weithin bekannt sein. Ja, sie sind ausgelassener, und dass vermutlich jeder zweite Mann nicht nur recht gut Gitarre spielen, sondern dazu auch noch Lieder von Vladimir Vysocki, dem legendären Moskauer Schauspieler und Liedermacher, singen kann, ist kein Klischee. Auch, was die Ausdauer beim Feiern betrifft, dürfte es keine zwei Meinungen geben. 

Was die Organisation von Veranstaltungen angeht, haben die Russen jedoch noch Lernbedarf. Aber vielleicht möchten sie es auch gar nicht so perfekt haben. So wie auf der Schuleröffnungsfeier der 'J.G.Herdera Rīgas Grīziņkalna vidusskola' am vergangenen Montag, als am ersten September die Kinder aus ihren dreimonatigen Ferien zurückkamen, übrigens den längsten in ganz Europa. Da versammelten sich die Kinder, Lehrer und Eltern bei strahlendem Sonnenschein auf dem Hof vorm Haupteingang, während eine Rede nach der anderen gehalten wurde, unter anderem auch von Nils Ušakovs, dem amtierenden Bürgermeister von Riga. Es wurde nämlich nicht nur der erste Schultag, sondern auch die Eröffnung der neugegründeten Schule gefeiert. Da die Schülerzahlen in den letzten Jahren an vielen Schulen stark gesunken sind, hat man nun aus zwei Schulen eine gemacht. Eine davon ist die nun ehemalige 'Rīgas Herdera vidusskola', eine russischsprachige Schule mit Deutsch als Schwerpunkt. Sie musste aus ihrem langjährigen Haus in der Skolas iela ausziehen und wurde nun mit der ehemaligen 'Rīgas Grīziņkalna vidusskola' zusammengelegt. 

  
Insgesamt gibt es 56 lettischsprachige Schulen, 45 russischsprachige, elf lettisch-russischsprachige und fünf anderssprachige Schulen (Weißrussisch, Estnisch, Polnisch, Litauisch und Ukrainisch) (Quelle: http://dati.e-skola.lv). Das entspricht auch ungefähr der Bevölkerungszusammensetzung von Riga, wo laut dem Statistischen Amt Lettlands 45,7% Letten, 38,3 Russen, 4% Weißrussen, 3,5 Ukrainer, 1,5% Polen, 0,8% Litauer leben (Quelle: http://data.csb.gov.lv). Eine Quote, die es in Deutschland nicht gibt, aber ich frage mich auch, ob das im Sinne der Integration ist. Denn die russischen Kinder lernen in der Schule zwar Lettisch (und auch die Schulbücher sind größtenteils in lettischer Sprache), doch direkten Kontakt zu Letten haben sie in der Zeit, die sie in der Schule verbringen, nicht. Andersherum ist es genauso. Kein Wunder also, dass ich nach wie vor den Eindruck habe, dass die Letten mit den Russen und die Russen mit den Letten nur wenig zu tun haben. Die Kinder lernen es schon von klein auf.

Ich kann das verstehen – jeder möchte doch in seiner Muttersprache lernen.“ sagte mir neulich eine Lettin, die nichts dagegen zu haben schien, dass russische Kinder in russische Schulen gehen. „Wenn jemand Russisch sprechen möchte – bitte, dann spreche ich auf Russisch, kein Problem.“ Und die russischen Kinder lernen dies auch so: „Hier kann man überall auf Russisch sprechen“ hörte ich bereits mehrmals, nachdem ich erzählt hatte, dass ich endlich meine Lettischkenntnisse verbessern wolle. Also ob es sich nicht lohnen würde, Lettisch zu lernen. Natürlich gibt es auch die andere Seite. Manche Letten antworten ganz bewusst nicht, wenn Sie auf Russisch angesprochen werden – obwohl sie die Sprache beherrschen.

Fakt ist aber, dass es nun mal russischsprachige Schulen in Riga gibt, und überdies noch einige mit Schwerpunkt Deutsch (der Deutschunterricht findet übrigens in enger Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut statt). Und nun also die feierliche Eröffnung der Schule mit Bürgermeister Nils Ušakovs, einem in Lettland geborenen Russen, der vor allem wohl deshalb an die Macht gekommen ist, weil es nur eine russische Partei im Stadtrat von Riga gibt (bzw. das Parteienbündnis Saskaņas Centrs, auf deutsch: Zentrum der Harmonie), während die lettischen Parteien nicht nur untereinander zerstritten sind, sondern auch noch um die Wählerstimmen konkurrieren. So hat Riga nun seit einiger Zeit einen russischstämmigen, aber perfekt Lettisch sprechenden Bürgermeister, der keinen Hehl daraus macht, dass er gute Kontakte zur russischen Politik und Wirtschaft pflegt. Man könnte fast meinen, der noch nicht vierzigjährige Journalist sei ein Anhänger Putins. Zumindest ist sein offensiver Umgang mit den Medien sehr geschickt. Dass die Bevölkerung aber dennoch relativ ruhig ist, und die wenigsten Menschen Angst davor haben, dass ein ähnlicher Konflikt wie in der Ostukraine ausbrechen könnte, liegt auch an Ušakovs, denn der tritt unter anderem entschieden dafür ein, dass alle Russen Lettisch beherrschen müssen.

Die Eröffnung der Schule ist wieder mal eine geeignete Bühne für den smarten Politiker, der hier wunderbare Eigenwerbung machen kann. Das Chaos um ihn herum scheint ihn nicht zu stören, denn während die Lautsprecher dem prominenten Besucher vermutlich beinahe die Ohren platzen lassen, hört die Mehrheit der Kinder und Eltern auf der anderen Seite kein Wort von dem, was gesprochen wird. Stattdessen quasseln alle munter miteinander, ohne sich für das offizielle Geschehen überhaupt zu interessieren. Und die kleinen Kinder bekommen in keinster Weise mit, welche Gedichte oder Lieder die größeren Kinder – auf Russisch, auf Lettisch und auch auf Deutsch - vortragen. Schade eigentlich.


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