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Freitag, 8. August 2014

In der Livländischen Schweiz

Rund 50 Kilometer nordöstlich von Riga erstreckt sich Lettlands größter, ältester und beliebtester Nationalpark, der Gauja-Nationalpark. Durch ihn fließt der Fluss, nach dem der Park benannt ist, die Gauja, die hier von hohen Felswänden aus rotem Sandstein aus dem Devon umgeben ist. Insgesamt knapp 500 Kilometer legt die Gauja auf lettischem Territorium zurück, bevor sie bei Carnikava in den Rigaischen Meerbusen mündet. 

Bereits kurz nach der Gründung von Riga im Jahre 1201 waren die deutschen Eroberer bestrebt, ihren Einfluss auf dem heutigen lettischen Gebiet zu erweitern. Eine wichtige Rolle spielte dabei natürlich auch die Gauja, und da ist es nicht verwunderlich, dass man bei einem Besuch in Sigulda (Segewold), neben Cēsis die größte Stadt auf dem Gebiet des Nationalparks, auf gleich drei Burgruinen stößt, und zwar den mehr oder weniger gut erhaltenen Überresten der Burgen Sigulda, Krimulda und Turaida.
Blick vom Burgturm
Eine dieser Burgen, die Burg Turaida (sie ist am besten erhalten), feierte vor wenigen Tagen ihren 800. Geburtstag. Natürlich wurde ein wenig gefeiert, wenn auch nicht überschwänglich, und da die Feierlichkeiten zeitgleich mit den alljährlichen Opernfestspielen von Sigulda stattfanden, machte ich mich (nicht zum ersten Mal) auf den Weg dorthin.

Von den Bewohnern dieser beschaulichen und im Vergleich zu anderen Städten dieser Größenordnung in Lettland recht wohlhabenden Kleinstadt kriegt man zwischen dem renovierten Hauptbahnhof und den zahlreichen Sehenswürdigkeiten nicht viel mit. Die Mehrzahl wohnt entweder zwischen Bahntrasse und der Schnellstraße, die Sigulda mit Riga verbindet, oder jenseits der Schnellstraße. Hier ist alles auf den Tourismus ausgerichtet, und das schon seit über hundert Jahren, als im Jahr 1889 die Bahnlinie zwischen Riga und Valka eröffnet wurde. Im Gegensatz zu Ķemeri (Kemmern) entwickelte sich Sigulda mit Beginn der lettischen Unabhängigkeit 1990 sehr gut, neben Ventspils (Windau) und Jūrmala (Rigastrand) zählt sie sicher zu den gepflegtesten Städten in Lettland.

Burg Turaida
Um zur Burg Turaida zu gelangen, muss man einen Bus nehmen, es sei denn, man ist mit mit einem Auto, Fahrrad, Motorrad oder dergleichen unterwegs. Zu Fuß dauert der „Anmarsch“ sicher eine gute halbe Stunde, schließlich muss man, an der Burgruine Sigulda vorbei, zuerst ins Tal der Gauja hinablaufen, dort eine Brücke überqueren, dann an der Gutmannshöhle vorbeilaufen, um dann nach einem längeren Anstieg endlich das Museumsreservat Turaida zu erreichen. Alternativ könnte die Seilbahn nehmen, die beide Ufer miteinander verbindet. Übrigens wird die Gegend um Sigulda aufgrund ihrer leicht hügeligen Landschaft auch als Lettische oder Livländische Schweiz bezeichnet.  
Warum eigentlich Museumsreservat? Die Burg Turaida war recht lange bewohnt, bis ins 17. Jahrhundert hinein, doch dann verlor die Burg an militärischer Bedeutung und das Gelände ging in Privatbesitz über, an Gotthard Wilhelm von Budberg. Von dieser Zeit zeugen unter anderem eine der ältesten lettischen Holzkirchen von 1750 und zwei Holzhäuser des Gutsverwalters. Darüber hinaus ist auf dem Gelände aber auch noch der sogenannte Volksliederberg angelegt, also ein Skulpturengarten, der dem Vater der lettischen Volkslieder (Dainas), Krišjānis Barons, gewidmet ist. Hier und auf den umliegenden Wiesen findet übrigens am 23. Juni jeden Jahres eine der größten und schönsten Ligo-Feste (Mitsommernacht) in Lettland statt.

Burg Sigulda
Die Burg Turaida ist zum Teil rekonstruiert worden, mehrere Ausstellungen informieren über die Geschichte der Burg. Früher stand an der gleichen Stelle eine Holzburg der Liven, deren Fürst, Kaupo, der angeblich erste Fürst eines livischen, kurischen oder anderen Stammes auf dem Gebiet des heutigen Lettland und Estland gewesen sein soll, der zum christlichen Glauben übergetreten ist. Nach der Rückkehr von einer Reise nach Rom, wo er von Albert von Buxthoeven, dem Bischof von Riga, Papst Innozenz III. vorgestellt worden war, erhob sich sein eigener Stamm gegen ihn, woraufhin er sich endgültig auf die Seite der christlichen Eroberer schlug, die die Holzburg 1212 zerstörten und zwei Jahre später die in ihren Grundzügen noch heute erhaltene Burganlage errichteten.

Warum etwas weiter südlich Mitte des 13. Jh. dann auch noch die Burg Krimulda errichtet wurde, ist mir bis heute nicht verständlich, auf jeden Fall gehörten beide zum Erzbistum Riga, während die Burg Sigulda (Segewold) auf der linken Seite der Gauja im Besitz des Schwertbrüderorden war (später Livländischer Orden). 

Neues Schloss in Sigulda
In den wenigen Überresten der Burg Sigulda treten nun schon seit über 20 Jahren Anfang August in- und ausländische Sänger im Rahmen von Galakonzerten oder Freilicht-Opernaufführungen auf. Am Abend meines Besuchs wurde „Carmen“ von Georges Bizet aufgeführt. Aber was spielt die Musik schon für eine Rolle bei so einem Event. Die Opernfestspiele in Sigulda sind ein wichtiges gesellschaftliches Ereignis in Lettland...

Nicht ohne Grund ist Sigulda die Partnerstadt von Riga im Kulturhauptstadtjahr 2014. Und so fanden und finden im Laufe des Jahres zahlreiche zusätzliche Veranstaltungen statt, wie beispielsweise ein spektakuläres Naturkonzert vor der Gutmannshöhle. Morgen. Samstag. Ein guter Grund, erneut nach Sigulda zu fahren.
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