Schon einen Tag zuvor hatte ich mich über drei Russen aufgeregt, die auf dem Hof einer Grundschule nicht nur an den Turngeräten Kraftübungen machten (das geht ja noch), sondern ihren Flüssigkeitshaushalt am nächstbesten Gebüsch regelten - während der Unterrichtszeit. Da ertappte ich in mir eine sehr deutsche Seite. Meine emotional leicht aufgeladene Belehrung gegenüber diesen drei glattrasierten Sportskanonen, dass dies ein Schulhof und keine öffentliche Toilette sei, hätte ich wahrscheinlich mit ein paar Veilchen bezahlt, wäre ich nicht in Begleitung einiger russischer Einheimischer gewesen. Doch zurück zum spielfreudigen Handybesitzer im Jogginganzug: Da ich mich zurückhielt, hoffte ich auf eine Reaktion der anderen Mitfahrer. Doch nichts dergleichen. Außer einigen irritierten oder auch leicht verwunderten Blicken konnte ich keinen Impuls ausmachen, der zu einer Beschwerde geführt hätte. Letztendlich sagte keiner was, obwohl es alle störte.
Bus beim Hauptbahnhof |
In Riga wurden übrigens in den letzten 10 Jahren aufgrund der Erneuerung der Busflotte enorm viele Arbeitskräfte gestrichen. Während es früher noch in jedem einzelnen Bus eine Fahrkartenverkäuferin gab, geht es heute moderner zu als beispielsweise in Berlin. Nun muss man seine vorher erworbene Fahrkarte mit Chip an eine elektronischen Ticketkontrolle halten. Nur ab und zu finden Fahrkartenkontrolleure den Weg in den Bus, aber dann nicht selten zu viert oder zu sechst. Schwarzfahren kostet in Riga übrigens 5 Euro - für viele Letten/Russen ist das bereits eine schmerzhafte Geldstrafe. Auffallend ist ein Video, das diesbezüglich in vielen Bussen hinter der Fahrerkabine zu sehen ist. Dort wird nämlich vorgeführt, wie sich ein guter lettischer Bürger verhalten soll. Erkennt er einen Störer (z. B. das Spielen von zu lauter Musik) oder jemanden, der sein Ticket nicht entwertet hat, soll er direkt die Nummer der Polizei wählen. Die kümmert sich dann um die verdächtigte Person, die ohne weitere Befragung von Polizisten mit schusssicherer Weste aus dem Bus geführt wird. Schon wieder kommen mir beim Betrachten dieses kurzen Films Gefühle hoch, die die hiesigen Bürger scheinbar nicht teilen: "Das ist doch eine Aufforderung zur Denunziation", denkt da die politisch korrekte Seele.
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