Dienstag, 16. September 2014

Lyrik im herbstlichen Riga


Der Herbst setzt langsam ein in Riga, die Blätter der Birken werden gelb, die Luft wird feuchter. Jacken werden aus den Schränken geholt, die ersten Nebelschwaden ziehen morgens auf. Nachmittags übernimmt dann die Sonne wieder die Führung, sendet zärtliche Lichtstrahlen, bevor die Nacht bereits um Acht hereinbricht...

Die fünfte Jahreszeit ist auch eine Zeit der Poesie (wobei ich nicht behaupten will, dass die Zeilen weiter oben Poesie sind), zumindest hier in Riga, wo im September wie in den vergangenen Jahren die Poesietage stattfinden, in Gedenken an Lettlands Nationaldichter Rainis (offfiziell: Jānis Pliekšāns), der Goethes Faust ins Lettische übersetzt und die Lettische Sprache (nicht nur dadurch, aber auch) um einen großen Sprung nach vorne gebracht hat. Und weil dieses Jahr Riga eine der beiden europäischen Kulturhauptstädte ist (neben Umeå in Schweden), dauert das Festival dieses Mal länger als sonst, nämlich fast drei Wochen. Darüber hinaus finden die Lesungen, Konzerte, Buchvorstellungen teilweise an neuen Orten statt, zum Beispiel in der kürzlich erst eröffneten Nationalbibliothek. Es kamen und kommen auch ausländische Autoren zu Wort, auch aus Deutschland, z. B. Eberhard Häfner, Alexander Filyuta und Tom Schultz. Nicht zuletzt kommen auch russische Autoren, die in Riga bzw. Lettland leben, zu Wort.

Spannend war das Projekt „Poetry Map of Riga“, das im Rahmen des Kulturhauptstadtprogramms präsentiert wurde. Es ging darum, auf künstlerische Art und Weise (also in Form von allen möglichen Genres – sei es Musik, Videos, Installationen und Performances, oder aber auch interaktive Software oder Computer-Grafiken) eine ungewöhnliche Karte von Riga anzufertigen, auf der die Vielfalt der „urbanen Phänomene“ in der Stadt dargestellt werden sollten: in den Straßen, den Nachbarschaften, Häusern, Cafés, auf Kreuzungen, in Hinterhöfen, und so weiter. Die Ergebnisse wurden in mehreren Ausstellungen gezeigt, zuletzt in der ehemaligen Tabakfabrik, wo im Sommer auch die Selbstportraits des „RIGA SELF/PORTRAITS“-Projekts gezeigt wurden.

Ich muss gestehen: Es ist gerade so viel los in Riga, dass ich an noch nicht einmal der Hälfte der Veranstaltungen, die ich gerne besuchen würde, teilnehmen kann. Das geht eigentlich schon die ganze Zeit so. Nebenbei gibt es ja auch noch andere Aufgaben, zum Beispiel die Arbeit an meinem Buch, meinem Projekt, etwa 25 bis 40 (Kurz-) Portraits über Menschen in Riga zu schreiben, vor allem Menschen, die etwas Bestimmtes erreichen möchten, Menschen, die engagiert sind. Eine Aufgabe, die größer ist, als ich es erwartet habe, viel schwieriger, da man so viel falsch machen kann, wenn man über Schicksale schreibt, über Menschen, die so vieles Persönliches von sich preisgeben, wenn man mit ihnen spricht...

Meine Zeit als Stadtschreiber geht in zwei Wochen zuende. Schade eigentlich, sehr schade, denn es gäbe noch so viel zu erzählen. Die Stadt, von der ich meinte, sie bereits sehr gut zu kennen, hat mich überrascht. Sie hat mir mehrere „Geheimnisse“ verraten, aber nur so viele, dass sie mich neugierig gemacht hat, neugieriger als je zuvor. Zum Glück wird mich mein „Projekt“ noch oft nach Riga bringen, mindestens bis zum nächsten Sommer, das habe ich mir fest vorgenommen. Ich bin sehr gespannt auf die Entwicklung der Menschen, auf deren Hoffnungen, vielleicht aber auch Enttäuschungen. Auf ihr Schicksal und wie sie damit umgehen, auf ihren Mut und auf ihre Ängste.
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Freitag, 12. September 2014

Anleitung zum Busfahren für Deutsche in Riga

Ist es Toleranz? Ist es Ignoranz? Gleichgültigkeit? Furcht? Ein junger Mann im Jogginganzug steht in einem Trolleybus (Oberleitungsbus) und spielt auf seinem Smartphone ein Online-Automatenspiel. Den dazugehörigen Sound hat er nicht abgeschaltet, im Gegenteil, die nervtötende "Begleitmusik" erschallt im gesamten hinteren Busabteil. Denke ich an Deutschland (am Tag), würde ich darauf tippen, dass es nicht lange dauern würde, bis sich jemand lautstark darüber beschwert. Obwohl ich mich eigentlich als eher tolerant und geduldig einschätze, bin ich versucht, den Mann zu bitten, das Gerät ein bisschen leiser zu stellen. Doch als Ausländer mit deutlich hörbarem Akzent beziehungsweise eingeschränkten Sprachkenntnissen halte ich mich dann doch lieber zurück. Zumal der Mann nicht unbedingt kooperativ aussieht.

Schon einen Tag zuvor hatte ich mich über drei Russen aufgeregt, die auf dem Hof einer Grundschule nicht nur an den Turngeräten Kraftübungen machten (das geht ja noch), sondern ihren Flüssigkeitshaushalt am nächstbesten Gebüsch regelten - während der Unterrichtszeit. Da ertappte ich in mir eine sehr deutsche Seite. Meine emotional leicht aufgeladene Belehrung gegenüber diesen drei glattrasierten Sportskanonen, dass dies ein Schulhof und keine öffentliche Toilette sei, hätte ich wahrscheinlich mit ein paar Veilchen bezahlt, wäre ich nicht in Begleitung einiger russischer Einheimischer gewesen. Doch zurück zum spielfreudigen Handybesitzer im Jogginganzug: Da ich mich zurückhielt, hoffte ich auf eine Reaktion der anderen Mitfahrer. Doch nichts dergleichen. Außer einigen irritierten oder auch leicht verwunderten Blicken konnte ich keinen Impuls ausmachen, der zu einer Beschwerde geführt hätte. Letztendlich sagte keiner was, obwohl es alle störte.

Bus beim Hauptbahnhof
Busfahren ist überhaupt sehr aufschlussreich in Lettland, in jeder Hinsicht. Fährt man beispielsweise die Strecke des Busses Nr. 3 ab, lernt man nicht nur Pļavnieki kennen, eine überwiegend von Russen bewohnte Plattenbauvorstadt, sondern auch den ehemaligen Arbeiter-Stadtteil Grīziņkalns mit seinen meist unrenovierten Holzhäusern aus dem 19. Jahrhundert. Dann durchquert man das geschäftige Zentrum auf der Brīvības iela (Freiheitsstraße), umfährt die touristische Altstadt, überquert die Daugava (Düna), fährt durch Āgenskalns (Hagensberg), dem größtenteils eher ruhigen und grünen Stadtteil am anderen Flussufer, in dem einst zahlreiche Deutschbalten ihre Sommerhäuser hatten und wo nun vor allem Letten leben, bis man nach gut einer Stunde Fahrtzeit in Bolderāja ankommt, einer aus sowjetischen Wohnblöcken bestehenden Vorstadt, in der - wie in Pļavnieki - vor allem Russen leben, und wo übrigens 1837 Richard Wagner erstmals lettischen Boden betrat, als er mit 24 Jahren auf einem Handelsschiff aus Königsberg kommend Bekanntschaft mit russischen Grenzbeamten machte. Dass er die Stadt bereits nach zwei Jahren wieder fluchtartig verlassen würde (natürlich hochverschuldet), ahnte er damals wohl noch nicht.

In Riga wurden übrigens in den letzten 10 Jahren aufgrund der Erneuerung der Busflotte enorm viele Arbeitskräfte gestrichen. Während es früher noch in jedem einzelnen Bus eine Fahrkartenverkäuferin gab, geht es heute moderner zu als beispielsweise in Berlin. Nun muss man seine vorher erworbene Fahrkarte mit Chip an eine elektronischen Ticketkontrolle halten. Nur ab und zu finden Fahrkartenkontrolleure den Weg in den Bus, aber dann nicht selten zu viert oder zu sechst. Schwarzfahren kostet in Riga übrigens 5 Euro - für viele Letten/Russen ist das bereits eine schmerzhafte Geldstrafe. Auffallend ist ein Video, das diesbezüglich in vielen Bussen hinter der Fahrerkabine zu sehen ist. Dort wird nämlich vorgeführt, wie sich ein guter lettischer Bürger verhalten soll. Erkennt er einen Störer (z. B. das Spielen von zu lauter Musik) oder jemanden, der sein Ticket nicht entwertet hat, soll er direkt die Nummer der Polizei wählen. Die kümmert sich dann um die verdächtigte Person, die ohne weitere Befragung von Polizisten mit schusssicherer Weste aus dem Bus geführt wird. Schon wieder kommen mir beim Betrachten dieses kurzen Films Gefühle hoch, die die hiesigen Bürger scheinbar nicht teilen: "Das ist doch eine Aufforderung zur Denunziation", denkt da die politisch korrekte Seele.
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Mittwoch, 10. September 2014

Stender und die Letten

Ende vergangener Woche fand in Riga und Mitau (Jelgava) eine wissenschaftliche Tagung mit dem Titel „ Gotthard Friedrich Stender (1714-1796) und die Aufklärung im Baltikum im europäischen Kontext“ statt. Anlass war der dreihundertste Geburtstag des kurländischen lutherischen Pastors, der sich vor allem einen Namen als Begründer der lettischen säkularen Literatur gemacht hat. Bereits das umfangreiche Programm der Tagung, die unter anderem im Hauptgebäude der Lettischen Universität abgehalten wurde, aber auch die zahlreichen Zuhörer, die zu den Vorträgen erschienen, machten deutlich, welche Bedeutung Stender nach wie vor in Lettland hat.

Friedrich Gotthard Stender, von Unbekannt, via Wikimedia Commons
Wie zahlreiche andere evangelische Pfarrer setzte er sich sehr für die Bildung der lettischen Landbevölkerung ein. Doch „der alte Stender“, wie er früher auch genannt wurde, ging weiter und verfasste nicht nur die erste umfassende Lettische Grammatik sowie ein Lexikon der lettischen Sprache, sondern widmete, vor allem in seinen letzten 30 Lebensjahren, einen Großteil seiner Zeit der Aufklärung des Lettischen Volks, in dem er, als Erster überhaupt, säkulare Literatur ins Lettische übersetzte. Bedeutung erlangten unter anderem die Übersetzung des Fabelbuchs von Christian Fürchtegott Gellert (1715-1769), wobei er allerdings die Prosaform wählte und darüber hinaus jeder Fabel eine Moral hinzufügte. Dass er jene Fabeln ausließ, in denen es um soziale Unterschiede oder um die antike Mythologie geht, weist daraufhin, dass Stender mit seiner Übersetzung höchstwahrscheinlich didaktische Ziele verfolgte.

Dies erläuterte Ruth Florack von der Universität Göttingen in ihrem gut zwanzigminütigen Vortrag über „Gellerts moralische Lehren – ein deutsch-lettischer Kulturimport“, einer von über vierzig Vorträgen, die in dem dreitägigen Programms stattfanden. Ein Teil der Tagung wurde im knapp eine Stunde von Riga entfernten Mitau (Jelgava) abgehalten, dem Ort, an dem Stender zwischen 1742 und 1744 als Konrektor an der Stadtschule arbeitete, bevor er für acht Jahre Pastor in Birsgallen (Birzgales pagasts) in der Nähe von Riga wurde. Stender war ein umtriebiger Mensch, der nicht nur häufig den Wohnort und die Stelle wechselte - er lebte unter anderem auch in Jena, Halle, Helmstedt, Braunschweig, Hamburg und auch Kopenhagen, wo er Professor der Geografie wurde, um nach nur zwei Jahren nach Kurland zurückzukehren.

Denkmal von Friedrich Gotthard Stender in Eglaine, von anakes, via Wikimedia Commons
Recht unbekannt ist die Tatsache, dass Stender auch mehrere Globusse angefertigt hat (für den Herzog von Braunschweig und König Friedrich V. von Dänemark und Norwegen). Über die aufwendige Restaurierung berichtete Henrik Dupont aus Kopenhagen. Scheinbar war Stender so etwas wie ein „Leonardo da Vinci des Nordens“, denn er gilt auch als Erfinder einer der ersten Waschmaschinen und interessierte sich überaus für Astronomie. Quasi ein Allroundgenie, dass seine letzten Jahre als Pastor abgeschieden in der lettischen Provinz Sonnaxt (Sunākste) verlebte, wo er eines seiner bedeutendsten Werke verfasste, das “Buch der hohen Weisheiten über Welt und Natur“, das ebenfalls auf Lettisch erschienen ist.

Stender hat den Letten enorm viel weitergeholfen auf dem Weg zu ihrem eigenen Nationalgefühl, zu ihrer eigenen Kultur. Auch Krišjānis Valdemārs (1825-1891), der lettische Journalist und Förderer der Seefahrt, der sich als einer der ersten Bürger öffentlich als Lette bezeichnete (was damals, vor allem als gebildeter Mensch, undenkbar war), und sich als Mitbegründer der Bewegung der Jungletten einen Namen machte, bezog sich in seinen didaktischen Schriften auf Gotthard Friedrich Stender. Und der war sich seiner Bedeutung vermutlich bewusst, als er veranlasste, dass auf seinem Grabstein „Hier ruht G. F. Stender der Lette“ eingraviert wurde. Ein ermutigendes Statement, das ihm die Letten bis heute nicht vergessen haben. Kaum verwunderlich ist da, dass zeitgleich zur wissenschaftlichen Tagung in der neuen Lettischen Nationalbibliothek eine Ausstellung über den „Letten“ und seine Zeit mit dem Titel ”Lette. Zeugnisse des Lebens, der Gedanken und des Werks” eröffnet wurde.
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Freitag, 5. September 2014

Russische Schule

Dass die Russen anders feiern als die Deutschen, dürfte ja weithin bekannt sein. Ja, sie sind ausgelassener, und dass vermutlich jeder zweite Mann nicht nur recht gut Gitarre spielen, sondern dazu auch noch Lieder von Vladimir Vysocki, dem legendären Moskauer Schauspieler und Liedermacher, singen kann, ist kein Klischee. Auch, was die Ausdauer beim Feiern betrifft, dürfte es keine zwei Meinungen geben. 

Was die Organisation von Veranstaltungen angeht, haben die Russen jedoch noch Lernbedarf. Aber vielleicht möchten sie es auch gar nicht so perfekt haben. So wie auf der Schuleröffnungsfeier der 'J.G.Herdera Rīgas Grīziņkalna vidusskola' am vergangenen Montag, als am ersten September die Kinder aus ihren dreimonatigen Ferien zurückkamen, übrigens den längsten in ganz Europa. Da versammelten sich die Kinder, Lehrer und Eltern bei strahlendem Sonnenschein auf dem Hof vorm Haupteingang, während eine Rede nach der anderen gehalten wurde, unter anderem auch von Nils Ušakovs, dem amtierenden Bürgermeister von Riga. Es wurde nämlich nicht nur der erste Schultag, sondern auch die Eröffnung der neugegründeten Schule gefeiert. Da die Schülerzahlen in den letzten Jahren an vielen Schulen stark gesunken sind, hat man nun aus zwei Schulen eine gemacht. Eine davon ist die nun ehemalige 'Rīgas Herdera vidusskola', eine russischsprachige Schule mit Deutsch als Schwerpunkt. Sie musste aus ihrem langjährigen Haus in der Skolas iela ausziehen und wurde nun mit der ehemaligen 'Rīgas Grīziņkalna vidusskola' zusammengelegt.

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Sonntag, 31. August 2014

A Short Presence

Unvermutet und überraschend: Mehr oder weniger durch Zufall erfahre ich von einer Ausstellungseröffnung in der Galerie „Mākslas Banka”. Dort zeigen seit dem 29. August die lettische Malerin Marta Veinberga und der Schweizer Fotograf Michael Buehler ihre Werke, die auf den ersten Blick unterschiedlicher kaum sein können, bei näherem Hinsehen aber viele Gemeinsamkeiten aufweisen.

Marta Veinberga: The Wave / Vilnis. Öl auf Leinwand, 65 x 60 cm, 2014

Während auf den Ölbildern von Marta Veinberga ausschließlich scheinbar leerstehende Gebäude aus der Sowjetzeit zu sehen sind, gilt das Interesse Michael Buehlers ganz dem Meer und den Bergen. Und während es seine Bilder bewusst oftmals offen lassen, was denn eigentlich genau zu sehen ist, versucht Marta Veinberga dem Betrachter das Gefühl zu geben, als sähe er angeblich ein beinahe perfektes Abbild des Originals. Dabei erinnern ihre Bilder an die Werke von Edward Hopper, dem Maler des Amerikanischen Realismus, dessen Bild "Nighthawks" unzählige Male kopiert wurde (z. B. "Boulevard of Broken Dreams" von Gottfried Helnwein).

Michael Buehler: Ice Figure / Ledus stāvs. Foto aus Albula, 32 x 31 cm

Gemeinsam ist beiden die Einsamkeit, die in ihren Werken zu spüren ist. Einsame Häuser, die irgendwie zu schön sind, zu neu. Es wirkt beinahe so, als würde die Künstlerin die offensichtlich verlorenen Gebäude mit ihren ruhigen, genauen Pinselstrichen beschützen, beruhigen wollen. Dagegen fordert Michael Buehler das Schicksal, oder wohl besser gesagt, den Zufall heraus. Denn er bevorzugt, wie er mir erklärt, besonders alte Filme für seine analoge Leica-Kamera. Besonders bei Kälte würden die Aufnahmen dann Fehler aufweisen. Diese Fehler, irritierende Streifen oder eine seltsame Farbgebung, machen seine Bilder geheimnisvoll. Und ohne es vielleicht zu bemerken versetzt man sich in die Position des Fotografen, als wolle man den Moment nacherleben, in dem das betrachtete Bild entstanden ist.


Und in diesem Sinne ist der Titel der Ausstellung "A Short Presence" natürlich absolut zutreffend. Ganz im Gegenteil dazu kennen sich der erfahrene Fotograf Michael Buehler und Marte Veinberga, die erst kürzlich ihr Studium an der  lettischen Kunstakademie abgeschlossen hat, schon seit einigen Jahren. Und nicht nur das: Nach Lettland kommt Michael Buehler bereits seit 1994. Seitdem kehrt er regelmäßig zurück, nicht nur, um das Meer zu fotografieren, sondern auch, um Fotokurse zu geben.




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Freitag, 29. August 2014

Deutsche Delegation in Riga

Im Augenblick scheint Riga ein relativ beliebtes Reiseziel für die deutsche Politik zu sein. Nachdem kürzlich die CSU Landesgruppe im Deutschen Bundestag einen umstrittenen Ausflug in die diesjährige Kulturhauptstadt Europas unternahm (siehe Spiegel-Bericht vom 06.04.2014), und kurz danach Bundeskanzlerin Angela Merkel einen Kurztrip nach Riga unternahm, um sich mit der lettischen Ministerpräsidentin Laimdota Straujuma zu besprechen, kam nun eine Delegation des Ausschusses für Kultur und Medien des deutschen Bundestages nach Riga. Natürlich schaute die Delegation, zu der übrigens die Abgeordneten Ursula Groden Kranich (CDU/CSU), Dr. Herlind Gundelach (CDU/CSU), Dr. Philipp Lengsfeld (CDU/CSU), Burkhard Blienert (SPD), Sigrid Hupach (DIE LINKE.), Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Siegmund Ehrmann (SPD/Ausschussvorsitzender) gehörten, auch in Umeå in Schweden vorbei, das ja neben Riga ebenfalls Kulturhauptstadt Europas 2014 ist. Insgesamt dauerte die Reise fünf Tage (vom 25. bis 29. August 2014).

Nachdem die Bundestagsabgeordneten unter anderem das Okkupationsmuseum und die Holocaust-Gedenkstätten in Rumbula und Biķernieki besucht hatten, kamen sie auch im Goethe-Institut vorbei, wo Sie über die Tätigkeiten des Instituts informiert wurden. Freundlicherweise durfte ich bei diesem Gespräch dabei sein. Es war interessant zu sehen, wie unterschiedlich interessiert die einzelnen Delegationsmitglieder waren. Während die einen aufmerksam zuhörten und engagiert Fragen stellten, spielten die anderen lieber mit ihren Mobiltelefonen. Das eine oder andere Mal konnte man das Versenden oder die Ankunft einer Mail oder SMS live erleben. Das soll aber nicht heißen, dass die Delegationmitglieder grundsätzlich uninteressiert waren. Ich kann verstehen, dass jeder Politiker seine eigenen Themen hat, für die er sich engagieren möchte, und schließlich hatte die Gruppe bereits ein straffes Programm hinter sich.

Am Ende des Gesprächs kam das Thema auf das ehemalige KGB-Haus, in dem seit Anfang der 1940er Jahre bis zur Unabhängigkeit Lettlands unzählige unschuldige Menschen auf brutalste Weise inhaftiert waren. Es stand seit Beginn der 1990er Jahre leer, bis es im Mai im Rahmen des Kulturhauptstadtprogramms für Besucher zugänglich gemacht wurde. Seitdem sind hier gleich sechs Ausstellungen zu sehen, außerdem werden Führungen durch den Gefängnistrakt im Untergeschoss angeboten. Ein Besuch der Delegation in diesem bedrückenden Ort war meines Wissens ursprünglich nicht vorgesehen. Im Nachhinein habe ich nun erfahren, dass die Gruppe es irgendwie doch noch geschafft hat, sich das Haus und die Ausstellungen anzuschauen - mit bleibendem Eindruck, denn offensichtlich möchte sich die Delegation nun dafür einsetzen, dass das Gebäude in seiner jetzigen Funktion als Mahnmal bzw. Museum erhalten bleibt. Ob es dazu kommt, ist nämlich fraglich. Im Herbst diesen Jahres soll in Riga eine Konferenz dazu stattfinden, bei der Vertreter aus Kultur, Wissenschaft, Wirtschaft und Politik darüber sprechen, was mit diesem Haus, in dem soviele Grausamkeiten begangen wurden, und um das die meisten Rigenser in den vergangenen Jahrzehnten einen großen Bogen machten, in Zukunft geschehen soll. Ich bin gespannt darauf, und finde es erfreulich, dass sich auch die Delegation weiterhin mit diesem Thema beschäftigen möchte.
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Dienstag, 26. August 2014

Herders Geburtstag

Am 25. August 2014 feierte Johann Gottfried Herder seinen 270. Geburtstag! Ich wüsste dies nicht, hätte es mir nicht Matthias Knoll erzählt, der Übersetzer, Dichter und für mich vor allem Kenner der lettischen Literatur und Kultur. Und ich wüsste auch nicht, dass in den 1950er Jahren der originale Sockel des Herder-Denkmals, das heute auf dem Herder-Platz in der Nähe des Haupteingangs des Doms steht, von den Sowjets "entwendet" wurde. Der Hass auf alles Deutsche spielte dabei sicherlich eine Rolle.

Ich weiß nun, dass der Platz vor 150 Jahren, im Jahr 1864, zu Ehren des deutschen Philosophen und Schriftstellers umbenannt wurde - genau 100 Jahre nach seiner Ankunft in Riga, um an der Domschule zu lehren und zu predigen. Seine damalige Form erhielt der Platz übrigens, nachdem die Bebauung auf der Westseite des Doms abgerissen worden war. Bis 1864 diente der Platz vor allem als Standort der kleinen Stadtwaage, weshalb er zuvor "Platz der kleinen Waage" genannt wurde.

Es ist durchaus bezeichnend, dass das Herder-Denkmal das erste Denkmal eines Kulturschaffenden in Riga war, heute aber kaum jemand Notiz von diesem Jubiläum genommen hat. Dabei war Herder derjenige, der sich in den Jahren seines Aufenthalts in Riga, zwischen 1764 und 1769, mit den lettischen Volksliedern, den sogenannten Dainas, beschäftigte und diese einem breiteren Publikum bekannt machte, indem er einige von ihnen in seinem zweibändigen Werk "Volkslieder" aufnahm (erschienen 1778/79). Eine zweite, bekanntere Fassung erschien 1807 unter dem Namen "Stimmen der Völker in Liedern". Damit stärkte er auch das langsam erwachende lettische Nationalbewusstsein.

Matthias Knoll hat, glaube ich, gestern Blumen vor dem Denkmal niedergelegt (ich war nicht dabei). Und er ist der Meinung, dass Herder einen neuen Sockel verdient hätte. Als Geburtstagsgeschenk sozusagen. Erstrebenswert wäre es ja, vielleicht zum 275. Geburtstag.




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