Dienstag, 17. Juni 2014

Ziemeļblāzma– das Nordlicht von Riga


Die Zeit vergeht schnell und steht nicht still. Eine ganze Woche lang habe ich nichts von mir hören lassen, bin sozusagen untergetaucht, in Riga, wo man sich gerade auf den Höhepunkt des Jahres vorbereitet, denn am kommenden Wochenende beginnen die Mitsommernachtsfeiern, die für die meisten Bewohner Lettlands eine viel größere Bedeutung haben als Weihnachten und Ostern. Viel habe ich zu berichten, weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, denn ich war unter anderem nun endlich im ehemaligen KGB-Haus, in der Vija Celmiņa-Ausstellung, in der Ausstellung „Fields“ für digitale Kunst, war auf einer sogenannten Bierprobe, aber auch auf dem Milchfest, von dem ich zuerst berichten möchte. 


Neue Aspekte in Riga kennen zu lernen war und ist ja mein Ansporn, und damit verbunden möchte ich natürlich auch Orte besuchen, die mir bislang noch nicht bekannt waren. Einer davon ist „Vecmīlgrāvis“, ein eigentlich ziemlich trostloser Stadtteil im Norden von Riga mit verkommenen Plattenbauten, in denen überwiegend Hafenarbeiter mit ihren Familien wohnen. Dass es hier ein Alkoholproblem gibt, ist unverkennbar, und dass es hier nicht viel mehr gibt als das Notwendigste wie einen Supermarkt, ist auch nicht überraschend. Man erwartet allerdings auf keinen Fall einen der schönsten und größten Veranstaltungssäle Rigas. Das ist aber der Fall. Mitten in einem Wohngebiet erhebt sich der Kulturpalast „Ziemeļblāzma“, ein frisch renovierter Bau aus den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg, weiß und hochaufragend, von einem ca. 5 ha großen Park umgeben.

   
Man fragt sich natürlich sofort, warum gerade an dieser Stelle, etwa eine halbe Stunde vom Zentrum Rigas entfernt, solch ein gigantischer Bau errichtet wurde. Es war der Mäzen Augusts Dombrovskis, der dem Alkoholfreien Verband „Ziemeļblāzma“ (Nordlicht) im Jahr 1903 ein Grundstück schenkte und in den folgenden Jahren den Kulturpalast nach seinen Vorstellungen errichtet ließ. Ein einheitlicher Stil ist nicht wirklich erkennbar, der Einfluss des Jugendstils ist aber nicht zu übersehen. Dombrovskis Ziel war die Zugänglichkeit zu Kultur und Bildung für die einfache Bevölkerung vor Ort, die sich darüber hinaus in dem Park erholen durfte, getreu nach Dombrovskis Motto: „Durch Wissen zu einem klaren Geist, durch die Kultur zu einem klaren Geist, durch gesunde Lebensführung zu einem klaren Geist“.
Augusts Dombrovskis
Anlass für meine Fahrt nach Vecmīlgrāvis war das diesjährige Milchfest, das aber überhaupt nichts mit Milch zu tun hat. Es wird schlicht und einfach seit 5 Jahren von der Bar bzw. dem Club „Piens“ (Milch) in Riga durchgeführt und fand in diesem Jahr zum ersten Mal rund um den Kulturpalast „Ziemeļblāzma“ statt. Es ist eigentlich nichts weiter als ein ziemlich großes Familienfest mit viel Musik, dessen Bandbreite zumindest dieses Mal von lettischer Chormusik (Neuer Chor "Kamēr…") über Jazzbands (Big Band des Lettischen Radios) bis hin zu den experimentellen Klängen der lettischen Gruppe „Shipsi“ reichte. Eine interessante Gruppe, die zwischen meditativen Klängen und heftigem Krach etliche Sounds hervorbrachte, die ich zuvor noch nicht gehört habe. Spannend und ein echter „Geheimtipp“, wie ich finde.

Foto: Mārtiņš Otto, Rīga 2014
Ansonsten: Spiele für Kinder, ein Outdoor-Barbier, viel Essen, Spazieren, das Übliche, wie immer.... Und, ebenfalls wie so oft: wo waren die Russen? Ich fürchte, genau so wird es auch zur Mitsommernacht sein. Dass die Russen mit den Letten feiern, habe ich schon mal gehört, aber noch nie gesehen. Das würde ich wirklich gerne einmal erleben...
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