Rund
50 Kilometer nordöstlich von Riga erstreckt sich Lettlands größter,
ältester und beliebtester Nationalpark, der Gauja-Nationalpark.
Durch ihn fließt der Fluss, nach dem der Park benannt ist, die
Gauja, die hier von hohen Felswänden aus rotem Sandstein aus dem
Devon umgeben ist. Insgesamt knapp 500 Kilometer legt die Gauja auf
lettischem Territorium zurück, bevor sie bei Carnikava in den
Rigaischen Meerbusen mündet.
Bereits
kurz nach der Gründung von Riga im Jahre 1201 waren die deutschen
Eroberer bestrebt, ihren Einfluss auf dem heutigen lettischen Gebiet
zu erweitern. Eine wichtige Rolle spielte dabei natürlich auch die
Gauja, und da ist es nicht verwunderlich, dass man bei einem Besuch
in Sigulda (Segewold), neben Cēsis die größte Stadt auf dem
Gebiet des Nationalparks, auf
gleich drei Burgruinen stößt, und zwar den mehr oder weniger gut
erhaltenen Überresten der Burgen Sigulda, Krimulda und Turaida.
Blick vom Burgturm |
Eine
dieser Burgen, die Burg Turaida (sie ist am besten erhalten), feierte
vor wenigen Tagen ihren 800. Geburtstag. Natürlich wurde ein wenig
gefeiert, wenn auch nicht überschwänglich, und da die
Feierlichkeiten zeitgleich mit den alljährlichen Opernfestspielen
von Sigulda stattfanden, machte ich mich (nicht zum ersten Mal) auf
den Weg dorthin.
Von
den Bewohnern dieser beschaulichen und im Vergleich zu anderen
Städten dieser Größenordnung in Lettland recht wohlhabenden
Kleinstadt kriegt man zwischen dem renovierten Hauptbahnhof und den
zahlreichen Sehenswürdigkeiten nicht viel mit. Die Mehrzahl wohnt
entweder zwischen Bahntrasse und der Schnellstraße, die Sigulda mit
Riga verbindet, oder jenseits der Schnellstraße. Hier ist alles auf
den Tourismus ausgerichtet, und das schon seit über hundert Jahren, als im Jahr 1889 die Bahnlinie zwischen Riga und Valka eröffnet wurde.
Im Gegensatz zu Ķemeri (Kemmern) entwickelte sich Sigulda mit
Beginn der lettischen Unabhängigkeit 1990 sehr gut, neben Ventspils
(Windau) und Jūrmala (Rigastrand) zählt sie sicher zu den
gepflegtesten Städten in Lettland.
Um zur Burg Turaida zu gelangen, muss
man einen Bus nehmen, es sei denn, man ist mit mit einem Auto,
Fahrrad, Motorrad oder dergleichen unterwegs. Zu Fuß dauert der
„Anmarsch“ sicher eine gute halbe Stunde, schließlich muss man,
an der Burgruine Sigulda vorbei, zuerst ins Tal der Gauja
hinablaufen, dort eine Brücke überqueren, dann an der Gutmannshöhle
vorbeilaufen, um dann nach einem längeren Anstieg endlich das
Museumsreservat Turaida zu erreichen. Alternativ könnte die Seilbahn nehmen, die beide Ufer miteinander
verbindet. Übrigens wird die Gegend um Sigulda aufgrund ihrer leicht hügeligen Landschaft auch als Lettische oder Livländische Schweiz bezeichnet.
Warum eigentlich Museumsreservat? Die
Burg Turaida war recht lange bewohnt, bis ins 17.
Jahrhundert hinein, doch dann verlor die Burg an militärischer Bedeutung
und das Gelände ging in Privatbesitz über, an Gotthard
Wilhelm von Budberg. Von dieser Zeit zeugen unter anderem eine der
ältesten lettischen Holzkirchen von 1750 und zwei Holzhäuser des Gutsverwalters. Darüber hinaus ist auf dem Gelände aber auch
noch der sogenannte Volksliederberg angelegt, also ein
Skulpturengarten, der dem Vater der lettischen Volkslieder (Dainas),
Krišjānis Barons, gewidmet ist. Hier und auf den umliegenden Wiesen
findet übrigens am 23. Juni jeden Jahres eine der größten
und schönsten Ligo-Feste (Mitsommernacht) in Lettland statt.
Burg Sigulda |
Warum etwas weiter
südlich Mitte des 13. Jh. dann auch noch die Burg Krimulda errichtet
wurde, ist mir bis heute nicht verständlich, auf jeden Fall
gehörten beide zum Erzbistum Riga, während die Burg Sigulda
(Segewold) auf der linken Seite der Gauja im Besitz des Schwertbrüderorden war (später Livländischer Orden).
Neues Schloss in Sigulda |
In den wenigen
Überresten der Burg Sigulda treten nun schon seit über 20 Jahren
Anfang August in- und ausländische Sänger im Rahmen von
Galakonzerten oder Freilicht-Opernaufführungen auf. Am Abend meines
Besuchs wurde „Carmen“ von Georges Bizet aufgeführt. Aber was
spielt die Musik schon für eine Rolle bei so einem Event. Die
Opernfestspiele in Sigulda sind ein wichtiges gesellschaftliches
Ereignis in Lettland...
Nicht ohne Grund ist
Sigulda die Partnerstadt von Riga im Kulturhauptstadtjahr 2014. Und
so fanden und finden im Laufe des Jahres zahlreiche zusätzliche
Veranstaltungen statt, wie beispielsweise ein spektakuläres
Naturkonzert vor der Gutmannshöhle. Morgen. Samstag. Ein guter
Grund, erneut nach Sigulda zu fahren.
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